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Autogramm Volvo C40 Recharge Pure Electric Sicher, Dicker

Volvo baut üppige, schwere Autos – das ist im Elektrozeitalter nicht anders. Und auch beim C40 verbrämen die Schweden die Fettsucht geschickt. Der Wagen hat aber auch sein Gutes.
Aus Gent berichtet Felix Wadewitz
Volvo C40 – auch die Rückleuchten erinnern an Thors Hammer

Volvo C40 – auch die Rückleuchten erinnern an Thors Hammer

Foto: Christian Bittmannp / Volvo

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Der erste Eindruck: Noch ein Crossover-SUV, gähn. Zweiter Eindruck: Hammer. Also Thors Hammer, so heißen die Volvo-Frontleuchten, nach der Wunderwaffe der nordischen Gottheit. Beim C40 drängt sich die Assoziation aber auch beim Heck auf. Die wie bei allen SUV und Kombis der Skandinavier hochgezogenen Rückleuchten fallen entlang der Coupé-Linie noch mehr auf und gehen locker als glitzerndes Götterwerkzeug durch. Daran bleibt beim Zwischenstopp am Brüsseler Atomium denn auch der Blick der vorbeiflanierenden Touristen zuerst hängen.

Das sagt der Hersteller: Ein »neues Kapitel der Firmenhistorie« möchte Volvo aufschlagen. Früher als die Konkurrenten riefen die Skandinavier vor vier Jahren laut in die Welt, dass sie bis spätestens 2030 keine Verbrenner mehr verkaufen wollen. Die E-Revolution überließen sie dann aber erst mal der jungen Schwestermarke Polestar. Der angeberischen Ankündigungswelle folgte bislang nur ein vollelektrisches Modell, der XC 40 Recharge. Der C40 ist nun das zweite. Dessen offizielle Bezeichnung ist so lang, dass fast jede Eigenschaft im Namen vorkommt: Volvo C40 Recharge Pure Electric.

In die Zukunft der gesamten Marke weisen auch das neue Design, neue Ökomaterialien und der neue Vertriebsweg, sagen die Volvo-Manager. Das Auto gibt es, wie zukünftig alle E-Modelle, nur online zu kaufen – für schnappatmige 62.000 Euro – oder im Abonnement ab 699 Euro pro Monat mit drei Monaten Kündigungsfrist. Die Autohäuser werden jetzt aber nicht gleich abgerissen, sie bieten Beratung und Probefahrten an.

Bei der Linienführung des 4,33 Meter langen und 1,58 Meter hohen Crossover-SUV orientierten sich die Designer an einer Ikone der Volvo-Geschichte: dem legendären Sportwagen P1800. Die »markante Schulterlinie mit dem charakteristischen Knick« des SUV erinnere genauso an das Sportcoupé wie die zum Heck hin abfallende Dachlinie. Echt jetzt? Würde Chefdesigner Robin Page, der früher für Bentley zeichnete, nicht extra darauf hinweisen, wäre diese historische Parallele glatt untergegangen. Für die Werbeabteilung ist es aber eine schöne Story.

Designvorbild Volvo 1800

Designvorbild Volvo 1800

Foto: Volvo

Der Hersteller lobt sich auch für neue Materialien im Innenraum, die etwa aus recyceltem Plastik und Microtech-Textilien bestehen. Die Teppiche etwa sind aus PET-Flaschen entstanden, um die 70 sind es pro Auto. Mit Kuhleder bezogene Sitze sucht man in der Preisliste vergeblich, auch das ist eine Premiere. Ein lederfreies 2,2-Tonnen-SUV, das ist ein wenig wie eine vegane Jagdgesellschaft, dürfte aber relativ gut zu den widersprüchlichen Bedürfnissen vieler Autokäufer passen.

Das ist uns aufgefallen: Wo ist der Startknopf? Es gibt keinen. Es reicht, den Schalthebel auf Vorwärts- oder Rückwärtsfahren zu stellen und Gas zu geben. Zudem ist das Bremspedal außer im Notfall fast überflüssig: Das Ein-Pedal-Fahren ist auch für E-Neulinge weniger gewöhnungsbedürftig, als es klingt. Nimmt der Fahrer den Fuß vom Gaspedal, bremst der Volvo spürbar stärker als bei anderen Elektroautos. Dabei wird Energie zurückgewonnen und die Batterie etwas aufgeladen. Außerdem fährt es sich entspannter als mit beiden Pedalen. Wer das nicht mag, kann diesen Modus aber ausschalten.

Es geht auch weniger entspannt. Mit durchgedrücktem Gaspedal knallt der Allrad-Volvo in Drag-Race-Manier auf den belgischen Landstraßen derart nach vorn, dass der Beifahrer schaut, als hätte man den Verstand verloren. In 4,7 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, die Höchstgeschwindigkeit begrenzt Volvo auf 180 km/h. Das einstufige Automatikgetriebe überträgt die Power der Motoren surrend nahtlos, die Servolenkung und das Fahrwerk stellen sich auf die Stimmung des Fahrenden ein, je schneller, desto straffer.

Da die neuen E-Autos der meisten Marken inzwischen gleichermaßen ausgereift sind und sich ähnlich fahren, sind die Unterschiede zur Konkurrenz überschaubar. Der Antrieb taugt herstellerübergreifend kaum noch als Alleinstellungsmerkmal. Höhe und Gewicht des Fahrzeugs macht die E-Technik meist vergessen, nur in schnellen, langgezogenen Kurven spürt man beides.

Auf der Autobahn übernimmt der Computer die meiste Arbeit. Der Pilot Assist achtet nicht nur auf die eingestellte Geschwindigkeit, sondern bündelt alle gängigen Assistenzsysteme, steuert durch Tempowechsel die Abstände zu den Vorausfahrenden, hält die Spur, lenkt und meldet sich schnell, wenn die Fahrerin oder der Fahrer die Hände vom Steuer nimmt. Nur die Fingerspitzen am Lenkrad lässt der strenge Lenkwinkelsensor nicht gelten. Das halbautonome System funktioniert auch bei geringeren Geschwindigkeiten unter 50 km/h, hier hat Volvo einen Entwicklungsvorsprung vor vielen Konkurrenten.

C40 von vorn: Das Auto erkennt an Kreuzungen auch Fahrräder

C40 von vorn: Das Auto erkennt an Kreuzungen auch Fahrräder

Foto: Christian Bittmannp / Volvo

Was die Schweden traditionell auszeichnet, soll auch für den C40 gelten: Die Autos sollen zu den sichersten auf den Straßen gehören. Das gilt nicht nur für die Insassen, sondern dank Kameras und Sensoren auch für andere Verkehrsteilnehmer. So erkennt das Auto an Kreuzungen nicht nur andere Fahrzeuge, sondern auch Fahrräder und bremst im Notfall automatisch. Volvo führte das Vorgängersystem einst als weltweit erster Hersteller ein. Der Hersteller verweist auf eine Studie des US-Instituts für Verkehrssicherheit, wonach die Zahl der Unfälle mit Verletzten mit dem verfeinerten System um 56 Prozent sinkt.

Wenn Fußgänger plötzlich auf die Fahrbahn treten, soll das automatische Bremssystem einen Zusammenstoß verhindern oder bei höheren Geschwindigkeiten zumindest das Tempo so stark verringern, dass der Unfall weniger folgenschwer ist. Auch beim Ein- und Ausparken schlägt das Auto Alarm, wenn Fußgänger übersehen werden könnten, und bremst selbst, wenn der Fahrende nicht reagiert.

Rauscht ein anderes Fahrzeug von hinten heran, warnt das Kollisionssystem dessen Fahrenden durch schnelles Blinken, gleichzeitig strafft der Computer die aktiven Sicherheitsgurte der Insassen, um das Risiko von Halswirbelverletzungen zu verringern. Die Liste mit derartigen Sicherheitsfeatures ist beim C40 mehr als 15 Seiten lang. Fast alle sind serienmäßig eingebaut. Gut geschützt wird auch die Batterie, von einem Gehäuse aus stranggepresstem Aluminium. Die Knautschzone soll bei einem Zusammenprall die Energie aufnehmen und die Batterie schützen.

Kein Holz, kein Leder im Innenraum

Kein Holz, kein Leder im Innenraum

Foto: Christian Bittmannp / Volvo

Das muss man wissen: Der C40 ist der junge Bruder des älteren Bestsellers XC40. Beide kommen aus der Fabrik im belgischen Gent, beide basieren auf der CMA-Plattform von Volvo und Konzernmutter Geely, die auch von Polestar und Lynk genutzt wird. Zwei Elektromotoren, einer vorne, einer hinten, kommen zusammen auf 408 PS. Die maximale Reichweite mit einer Batterieladung gibt Volvo mit 444 Kilometern an. Damit liegt der Volvo in der Mitte zwischen seinen Konkurrenten Mercedes EQA und Tesla Model Y. In 37 Minuten lässt sich die Batterie von zehn auf 80 Prozent schnellladen.

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Der Kofferraum hinten fasst durch das Coupé-Design mit 413 Litern etwas weniger als beim fast quadratischen XC40, vorne passen 31 Liter in den Stauraum unter der Fronthaube. Wie bei Volvo-Tochter Polestar läuft auf dem Touchscreen in der Mittelkonsole Android samt sämtlicher Google-Funktionen wie der Kartendienst Maps. Der Innenraum entspricht weitgehend dem des XC40 plus einiger neuer Designelemente und ist skandinavisch schlicht auf Funktionalität ausgelegt. Der Touchscreen in der Mittelkonsole ist neun Zoll groß, die digitale Instrumentenanzeige kommt auf 12,3 Zoll.

Das werden wir nicht vergessen: Enge Gassen, historische Häuser, teils autofreie Innenstadt und Fahrradkolonnen, so weit das Auge reicht – in Gent ein raumgreifendes SUV zu fahren, braucht Chuzpe, auch wenn es in der Nähe gebaut wird. Sie hilft gegen allgegenwärtiges Augenrollen und Kopfschütteln in der morgendlichen Fahrrad-Rushhour.

Hersteller:

Volvo

Typ:

2022 Volvo C40 Recharge Pure Electric

Karosserie:

Fünftüriger Kompakt-SUV

Motor:

Elektro

Getriebe:

1-Gang-Automatik

Antrieb:

Allrad

Leistung:

300 kw / 408 PS

Drehmoment

660 Nm

Von 0 auf 100:

4,7 s

Höchstgeschwindigkeit:

180 km/h

Batteriekapazität:

78 kWh

Reichweite:

444 km

Verbrauch:

22,0 kWh / 100 km

CO₂-Ausstoß:

0 g/km

Ladeleistung:

Bis 150 kW DC

Leergewicht:

2207 kg

Kofferraumvolumen:

413 bis 1205 l

Länge / Breite / Höhe (in mm):

4440 / 2034 / 1596

Wendekreis:

11,8 m

Preis:

ab 62.050 Euro