Eifel: Pflegedienst-Flotte fährt mit eigener Solarenergie

Der R+R-Pflegedienst aus der Eifel ist dabei, die Hälfte seiner Flotte zu elektrifizieren – obwohl das Geschäftsgebiet einen Radius von rund 100 Kilometern umfasst. Den Strom produziert das Unternehmen per Sonnenenergie selbst. Verbrenner will das Unternehmen nicht mehr anschaffen.

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Die pure Freude am Fahren hat bei Philipp Rinas den Ausschlag gegeben, die Firmenflotte seines Pflegediensts zu elektrifizieren. Der Geschäftsführer des R+R-Pflegedienstes aus dem kleinen Ort Jünkerath in der Eifel war der erste im Unternehmen, der sich 2018 als Dienstwagen ein Plug-in-Hybrid-Fahrzeug bestellt hat – einen Volvo XC60. „Ich war verblüfft, dass solch ein schweres Auto so spritzig unterwegs ist“, erinnert er sich. Und nicht nur das Fahren macht ihm Spaß, er hat auch gemerkt, wie gut der Wagen in der Öffentlichkeit ankommt. „Ich habe mir einen Sport daraus gemacht, möglichst viele Kilometer elektrisch zurückzulegen und die Reichweite immer weiter zu toppen“, erzählt Rinas.

Der R+R-Pflegedienst ist ein familiengeführtes Unternehmen mit gut 60 Mitarbeitern. Neben dem klassischen Pflegedienst engagiert sich das Unternehmen in der außerklinischen Intensivpflege und Heimbeatmung, weitere Angebote umfassen Essen auf Rädern und Seniorendienste in weiten Teilen der Eifel. Die Mitarbeiter verbringen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit auf der Straße, entsprechend wichtig ist ein verlässlicher und gleichzeitig sparsamer Fuhrpark.

Auf den Volvo folgten in der Firmenflotte 2019 drei e-Golf, die die Mitarbeiter abwechselnd Probe fahren konnten. „Selbst diejenigen, die von vornherein nichts mit E-Autos zu tun haben wollten, waren nach den Fahrten begeistert“, sagt Rinas. Alle hätten einen Ehrgeiz entwickelt, möglichst weit mit der Batterieladung zu kommen. Spielerischer Reiz, toller Effekt: „Der Strom aus der Steckdose berechnet mit 30 Cent pro kWh kostet im Vergleich zum Diesel nur die Hälfte“, fügt er hinzu. Das sei bei 5.000 bis 7.000 Euro Spritkosten pro Monat für die Verbrennerflotte ein ganzer Batzen an Ersparnis.

Und so hat R+R nach und nach immer mehr E-Fahrzeuge bestellt. Im April sind fünf Elektro-Smarts eingetroffen, vor Kurzem sechs VW ID.4 mit 52-kWh-Batterie an Bord und im Juni oder Juli erwartet der Pflegedienst 15 Opel Corsa-e. Mit dem Volvo XC60 wird die Flotte also in Kürze aus 27 E-Autos bestehen, das entspricht der Hälfte der Gesamtflotte. Für alle E-Fahrzeuge hat R+R Fördergelder beantragt. „Das Geld zu bekommen oder verrechnet zu kriegen, ist allerdings je nach Bank ein sehr großer bürokratischer Aufwand“, erzählt er. Umso froher sei er, dass sich eine seiner Mitarbeiterinnen ausschließlich um den Fuhrpark kümmere.

Bei Mitarbeitern Überzeugungsarbeit nötig

Allerdings: Die Umstellung vorzubereiten, war laut Rinas nicht ganz ohne. Denn in der ländlichen Eifel ist die E-Mobilität noch kein Selbstläufer. Zwar sei im vergangenen Jahr viel passiert, doch im Vergleich zu Großstädten wie Hamburg hinke die Region etwa in Sachen Ladeinfrastruktur noch weit hinterher. Daher war laut dem Geschäftsführer auch bei den Mitarbeitern viel Überzeugungsarbeit notwendig. Das Einzugs- und Geschäftsgebiet um die Firmenzentrale herum beträgt rund 100 Kilometer. Die Mitarbeiter müssen demnach zum Teil weite Strecken zurücklegen, die zumeist durch hügelige Landschaften und über kurvige Landstraßen führen.

Andererseits sei die ländliche Topografie nicht nur ein Hindernis. „Dadurch, dass nicht so schnell gefahren werden kann, ist der durchschnittliche Verbrauch wesentlich geringer als bei Autobahnfahrten“, erläutert der Geschäftsführer. Der ID.4 beispielsweise habe laut Werksangaben einen Durchschnittsverbrauch von 22 kWh auf 100 Kilometer. „Auf der Autobahn bin ich nicht drunter gekommen, sondern nur drüber, egal ob ich 120 oder 130 Stundenkilometer fahre“, fügt er hinzu. Überland betrage der Durchschnittsverbrauch gerade mal 16 kWh pro 100 km.

R+R least die Fahrzeuge, die zwei bis drei Jahre in der Flotte verbleiben. Bereits jetzt habe sich gezeigt, dass sie wesentlich wartungsärmer sind als die mit Verbrennermotor. Die Werkstatt vor Ort, KFZ-Thiel, habe sich auf die bunt gemischte Flotte eingestellt und sich mit den E-Autos von R+R vertraut gemacht. Wenn mal was mit den Fahrzeugen ist, sei es gut, eine Werkstatt zu haben, die weiß, was zu tun ist. Ausfälle oder leere Akkus habe es jedoch bislang noch nicht gegeben, zumal R+R seine Mitarbeiter entsprechend intensiv schult. Klar ist: Verbrenner wird das Unternehmen nicht mehr anschaffen.

E-Dienstwagen als Mittel zur Mitarbeitergewinnung

Für den Geschäftsführer sind die E-Fahrzeuge auch ein Mittel zur Mitarbeitergewinnung. „Meine Idee: Als Motivation für uns zu arbeiten, bieten wir examinierten Fachkräften ein Fahrzeug an“, sagt er und fügt hinzu: „Die Vollzeitkräfte, die den Wagen auch privat nutzen, profitieren außerdem vom günstigeren geldwerten Vorteil von 0,25 Prozent.“ Mitarbeiter, die die Autos zu Hause laden, bekommen monatlich 70 Euro für den Strom vergütet. Die heimische Wallbox wird bekanntlich vom Bund gefördert.

Im Betriebsalltag dienen die fünf E-Smarts als Poolfahrzeuge. Zwei Exemplare des Quintetts stehen stets auf dem Betriebshof bereit. Wer mit fast leerem Akku ankommt, steckt sein Auto an und nimmt ein geladenes. „Wir wollen damit erreichen, dass die Autos auch tagsüber geladen werden“, sagt Rinas. Und zwar mit dem eigenen Strom, den R+R-Pflegedienst mit der auf den Dächern der drei zur Firma gehörenden Gebäude installierten Photovoltaikanlage produziert. Die Menge reicht aus, um den Bedarf der E-Flotte zu decken. Dabei leistet die erste Anlage 14,85 Kilowatt-Peak (kWp), die zweite hat 21,12 kWp und die dritte schafft 25,46 kWp. „Noch sind wir aber nicht in Vollauslastung“, sagt Rinas.

Laden können die Mitarbeiter ihre Fahrzeuge an insgesamt neun Haushaltssteckdosen à 3,68 kW, die außen angebracht sind, sowie an vier Wallboxen mit bis zu 22 kW Ladeleistung. Weitere sechs bis zehn Steckdosen, die alle Haushaltsstrom aus der Eigenproduktion bereitstellen, werden in Kürze installiert. Kombiniert ist die PV-Anlage dazu mit Pufferspeichern, sodass der eigene Strom zeitversetzt genutzt werden kann. Auch Betriebsfremde können bei R+R Strom zapfen: Das Unternehmen hat auf seinem Gelände eine öffentlich zugängliche Ladesäule mit 22 kW aufgebaut.

Von der Zusammenarbeit mit Kommune, Energieversorger, Land und Bund ist Rinas unterdessen alles andere als begeistert. „Wir fühlen uns als Unternehmen Null unterstützt, im Gegenteil, uns wurden viele Steine in den Weg gelegt.“ Zum Beispiel habe er versucht, außerhalb von Land und Bund Fördermöglichkeiten zu finden. Anfragen dazu haben Kommune und Energieversorger jedoch alle negativ beantwortet. Auch von Land und Bund hat R+R weder für die Wallboxen noch für den Bau der PV-Anlage eine Förderung bekommen.

Rinas bemängelt, dass es zur Installation von Wallboxen im privaten Bereichen problemlos Gelder gebe, Unternehmer jedoch leer ausgingen. „Mal heißt es, ihr seid aus dem förderfähigen Zeitraum raus, mal, bei euch läuft es doch schon, dann braucht ihr doch keinen Zuschuss mehr. Wäre R+R nicht so liquide, hätte ich nicht auf E-Mobilität umstellen können.“ Der Bund hat diese Lücke übrigens erkannt und für Sommer ein Förderprogramm für gewerbliches Laden von Flotten angekündigt. Dieses Förderprogramm soll 350 Millionen Euro umfassen, Details zu den Antragsvoraussetzungen sind allerdings noch nicht bekannt. 

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